Arbeitszeugnis überprüfen – Infos und Tipps, 2. Teil
Es ist erstaunlich, wie viele Arbeitszeugnisse Fehler enthalten. Ärgerlich ist das deshalb, weil das Arbeitszeugnis nicht einfach nur eine Bestätigung darüber ist, was ein Bewerber in einem bestimmten Zeitraum beruflich gemacht hat. Stattdessen informiert ein Arbeitszeugnis über die fachlichen Qualifikationen, die praktischen Erfahrungen und das Verhalten des Bewerbers. Ein ungünstiges Zeugnis kann deshalb die Bewerbungschancen spürbar schmälern.
Andererseits muss sich niemand mit einem fehlerhaften Arbeitszeugnis zufriedengeben. In einem zweiteiligen Beitrag geben wir Infos und Tipps, wie sich ein Arbeitszeugnis überprüfen und berichtigen lässt.
Dabei haben wir im 1. Teil erklärt, warum es sich lohnt, das Zeugnis zu überprüfen. Außerdem haben wir fünf typische Mängel genannt.
Hier ist der 2. Teil!:
Inhalt
Das Arbeitszeugnis überprüfen lassen
Ist das Arbeitszeugnis erstellt und übergeben, gilt es, das Schriftstück sorgfältig zu lesen. Hat der Arbeitgeber unverhältnismäßige Lobeshymnen formuliert? Fehlt die Angabe von konkreten Aufgabenbereichen oder wichtigen Kompetenzen?
Das Durchlesen ist die erste und wichtigste Prüfung. Schließlich weiß der Arbeitnehmer selbst am besten, was er im Job gemacht, geleistet und gelernt hat. Außerdem kann er einschätzen, wie das Verhältnis zu den Vorgesetzten, Kollegen und Kunden war und wie gut die Zusammenarbeit geklappt hat.
Tauchen Unstimmigkeiten auf oder ist sich der Arbeitnehmer nicht sicher, ob das Arbeitszeugnis inhaltlich und formal richtig erstellt ist, sollte er sich an einen Profi wenden. Als Laie ist es schwierig, Fehler oder Mängel aufzuspüren und vor allem die Botschaften richtig zu deuten, die zwischen den Zeilen stehen.
Ein Experte kann das Arbeitszeugnis fachkundig analysieren und individuell dazu beraten, ob und wo Korrekturen vorgenommen werden sollten.
Der richtige Ansprechpartner für eine Überprüfung des Arbeitszeugnisses ist ein Fachanwalt für Arbeitsrecht. Wie teuer die Überprüfung durch einen Anwalt wird, richtet sich danach, welches individuelle Honorar vereinbart wird.
Übliche Stundensätze bewegen sich in einem Rahmen zwischen 120 und 160 Euro. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Anwalt nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abrechnet.
In diesem Fall können sich die Kosten für ein Gespräch auf rund 200 Euro belaufen. Um keine böse Überraschung zu erleben, ist es ratsam, die Kosten im Vorfeld abzuklären.
Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, kann sich aber auch an sie wenden. Denn Überprüfungen von Arbeitszeugnissen, Arbeitsverträgen und anderen arbeitsrechtlich relevanten Unterlagen sind in aller Regel über den Arbeitsrechtsschutz abgedeckt. Die Versicherung hilft auch dabei, einen passenden Rechtsanwalt zu finden.
Das Arbeitszeugnis berichtigen lassen
Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf ein formal korrektes, inhaltlich richtiges und vollständiges sowie wohlwollendes Arbeitszeugnis. Weist das erteilte Zeugnis Fehler oder Mängel auf, kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber dazu auffordern, das Zeugnis zu berichtigen.
Dazu sollte sich der Arbeitnehmer zuerst an denjenigen wenden, der das Arbeitszeugnis unterschrieben hat. Denn derjenige, dessen Unterschrift auf dem Dokument steht, gilt als Zeugnisaussteller und ist damit auch der zuständige Ansprechpartner.
Kann der Arbeitnehmer seine Änderungswünsche schlüssig und nachvollziehbar erläutern und bleibt der Aufwand, ein abgeändertes Zeugnis zu erstellen, in einem überschaubaren Rahmen, sollte eine Korrektur in den meisten Fällen kein Problem sein.
Weigert sich der Arbeitgeber hingegen, berechtigte Korrekturen vorzunehmen, steht es dem Arbeitnehmer frei, seinen Anspruch auf Nachbesserung vor dem Arbeitsgericht einzuklagen.
Das alte Zeugnis in neuer Fassung
Nimmt der Arbeitgeber Berichtigungen oder Ergänzungen vor, muss er ein neues Arbeitszeugnis ausstellen, das wie eine Erstausfertigung aussieht. Er kann also nicht einfach auf dem schon ausgedruckten Exemplar einzelne Wörter oder ganze Passagen durchstreichen oder handschriftlich etwas ergänzen.
Stattdessen muss er ein neues Arbeitszeugnis ausdrucken und unterschreiben, das die vereinbarten Änderungen enthält.
Was die Inhalte angeht, muss der Arbeitgeber den Text, den der Arbeitnehmer nicht beanstandet hat, beibehalten. Bei den Formulierungen, die mit den gewünschten Änderungen nichts zu tun haben, darf der Arbeitgeber den Wortlaut also nicht abändern.
Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn im Nachhinein Fakten bekannt werden, die dazu führen, dass die Leistungen, Kenntnisse oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers neu bewertet werden müssen.
Einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber die Formulierungen verwendet, die der Arbeitnehmer gerne in seinem Zeugnis hätte, hat der Arbeitnehmer aber nicht.
Beispiele aus der Praxis
Es gibt eine Vielzahl von Gerichtsurteilen, die sich mit Arbeitszeugnissen und deren Korrekturen beschäftigen. So hat das Bundesarbeitsgericht zum Beispiel entschieden, dass das Arbeitszeugnis als Fließtext ausformuliert sein muss.
Denn nur so lässt sich die Beurteilung des Arbeitnehmers angemessen darstellen. Es reicht nicht aus, wenn der Arbeitgeber ein Zeugnis erstellt, das ähnlich wie ein Schulzeugnis tabellarisch gestaltet ist (BAG, Az. 9 AZR 262/20).
Enthält das Arbeitszeugnis verschlüsselte, doppeldeutige oder widersprüchliche Formulierungen, müssen sie ersatzlos gestrichen werden (Landesarbeitsgericht Hamm, Az. 4 Sa 630/98).
Wenn das Arbeitszeugnis nach den vorgenommenen Änderungen aber nicht mehr der Wahrheit entspricht, muss es komplett neu verfasst werden (LAG Bremen, Az. 4 Sa 320/88).
Anspruch auf eine Bewertung, die der Schulnote Zwei entspricht („stets zur vollen Zufriedenheit“) hat der Arbeitnehmer nicht. Zwar weisen rund 90 Prozent aller Arbeitszeugnisse mindestens diese Beurteilung aus.
Aber wenn der Arbeitnehmer nicht nachweisen kann, dass seine Leistungen tatsächlich gut waren, muss er sich auch mit einer Beurteilung zufriedengeben, die der Schulnote Drei entspricht (BAG, Az. 9 AZR 584/13).
Enthält der Schlussteil Fehler, müssen sie auf Wunsch des Arbeitnehmers ebenfalls korrigiert werden. Allerdings kann er nicht verlangen, dass der Arbeitgeber eine Dankesformel und Zukunftswünsche verwendet.
Das gilt selbst dann, wenn das Fehlen den positiven Gesamteindruck mindert oder von Dritten nachteilig ausgelegt werden könnte.
Denn solche Sätze drücken keine neutrale Beurteilung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, sondern das persönliche Empfinden des Arbeitgebers aus (BAG, Az. 9 AZR 227/11).
Zeitlich befristete Änderungswünsche
Auch wenn der Arbeitnehmer das Arbeitszeugnis in absehbarer Zeit nicht für Bewerbungen braucht, sollte er Änderungswünsche zeitnah mit seinem früheren Arbeitgeber absprechen.
Denn wenn er die Fehler oder Mängel zunächst stillschweigend hinnimmt, kann sein Anspruch auf Berichtigung des Arbeitszeugnisses nach einer gewissen Zeit verwirkt sein.
Der Zeitrahmen bewegt sich zwischen fünf und zehn Monaten ab Zeugnisausgabe (LAG Mainz, Az. 1 Sa 1433/01). Nach längerer Zeit sind Korrekturen nur noch in Einzelfällen denkbar.
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Thema: Arbeitszeugnis überprüfen – Infos und Tipps, 2. Teil
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